In einem aufwendigen Dreiteiler lässt „Terra X“ die Welt der Ritter detailreich auferstehen. Neue technische Möglichkeiten* bilden die Grundlage fotorealistischer Szenerien mit lebensnaher Action. Experimente und High-Speed-Kameraaufnahmen zeigen, wie ein Kettenhemd gegen Schwerter und Pfeile schützte oder was passiert, wenn zwei Ritter im Turnier aufeinander krachten.

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[url=https://presseportal.zdf.de/pm/terra-x-die-welt-der-ritter/]Peter Arens[/url] (Leiter der Hauptredaktion Kultur, Geschichte und Wissenschaft) hat geschrieben:
Halb Mensch halb Mythos - Der Ritter, ein Typ für die Ewigkeit
Eins der erfolgreichsten Programme bei „Terra X“ war die Reihe „Wege aus der Finsternis“ über Europa im Mittelalter. Obwohl dieser Vierteiler schon 2004 im ZDF ausgestrahlt wurde, gehört er auch heute noch zu den meistabgerufenen „Terra X“-Dokumentationen im Internet. Auch solche digitalen Werte bekräftigen die Erfahrung von uns Geschichtsredakteuren, dass das Mittelalter eine ungebrochene Faszination auf die Jetztzeit ausübt. Schlagendes Herz der Mittelalterbegeisterung ist die Kulturfigur des Ritters. Unser Mittelalterbild wäre nicht denkbar ohne den Turnierkämpfer in seiner eisernen Rüstung, seine mythisch überhöhte Gralssuche und die Romantik der hoch gelegenen Burgen.
Warum ist der Ritter eine solch universale Figur, wohl für alle Zeiten? Nun, in ihm ist eine ungeheure Symboltiefe und Geschichtsmächtigkeit wirksam. Die Ritter stehen zum einen für eine verwunschene, archaische Welt, für dunkle Burgen, blutige Waffengänge, für halb Mensch halb Maschine. Zum anderen haben sie über mehrere hundert Jahre europäische Geschichte geschrieben. Mit ihren höfischen Tugenden stehen sie nach dem frühen, wahrlich dunklen Mittelalter ab 1100 für eine neue hellere Welt ”“ den Beginn der Moderne. Vielleicht lässt sich auch sagen, dass der Ritter die erste profilierte Figur unserer westeuropäischen (auch deutschen!) Geschichte ist, nach der griechischen und römischen Antike, die uns nahe ist, der in gewisser Weise ein heimatlicher Erdengeruch anhaftet.
Nach unserem Mittelaltervierteiler 2004 machen wir uns daher jetzt bei „Terra X“ erstmals an eine umfassendere Beschreibung des europäischen Rittertums, von den Anfängen unter dem Sachsenkönig Otto bis zum Untergang unter Kaiser Maximilian. Wir folgen seinem glanzvollen Mythos, seinem Wirken vor der Kulisse großer Feste und Turniere, seiner Verehrung der hohen Minne, seinem heldenhaften Eintreten für die Armen und Schutzlosen ”“ und sehen seine Lebenswirklichkeit, den Winter auf kalten, nassen Burgen, die schwierige Bewirtschaftung des Lehens, die ständige Kriegsrealität. Die Ritter hielten sich unablässig in bewaffneter Bereitschaft, mit einer Ausrüstung, die vom 9. bis ins späte 15. Jahrhundert hinein die Kriegswirklichkeit in immer radikaleren Formen prägte. Filmische Experimente zeigen Interessantes und Kurioses aus der Waffentechnik der Ritter. So weisen wir nach, dass die berühmten englischen Langbögen, die bei der Schlacht von CrÁ©cy 1346 erfolgreich gegen die französischen Ritter eingesetzt wurden, die modernste Rüstung jener Zeit, die Plattenpanzer, allerdings nicht durchdringen konnten. Und wir demonstrieren, dass das saubere Zerteilen einer Kerze mit einem Ritterschwert (wie in Hollywood-Filmen oft zu sehen) ebenfalls unmöglich gewesen sein dürfte.
Es gibt wohl nur wenige Stoffe, die besser zu unserem „Terra X“-Sendeplatz passen als das Mittelalter mit seinen Rittern. Die Redaktion und die für historische Stoffe bestens erprobte Produktionsfirma Gruppe 5-Filmproduktion in Köln geben übrigens auch gerne zu, dass es sich hier um ein wahres Lieblingsprojekt gehandelt hat. Bei „Terra X“ können wir die großen, internationalen Kulturstoffe in attraktives, besonders für junge Zuschauer interessantes Fernsehen überführen und zugleich sehr anspruchsvolle, bildende Inhalte anbieten. Wobei wir bei nahezu jedem Projekt versuchen, uns auf neue Umsetzungsformen einzulassen und uns nach den üblichen zwei bis drei Jahren Entwicklungszeit vom Ergebnis auch überraschen lassen wollen.
A propos Wagnisse eingehen und sich überraschen lassen: Der meines Erachtens schönste Begriff aus dem Mittelhochdeutschen ist „Á¢ventiure“, der die Abenteuersuche des fahrenden Ritters meint (engl. adventure, franz. aventure). Erec, Lancelot und Parzival müssen ihren Mut und ihre Ehre immer wieder an neuen Abenteuern messen, die während ihrer Reisen sozusagen auf sie zukommen (ad-venire). Das Abenteuer des Ritters bedeutet Risiko und Wagnis, den Schritt aus dem Festgefügten heraus, was immer auch zu neuen Chancen und glücklichen Wendungen für ihn führen mag. Auch hierin liegt vielleicht ein Grund für unsere immerwährende Faszination der Ritterfigur: sein Abenteuer als eine Metapher auf unsere eigene, neugierige Suche nach neuen Lebenschancen.
Die Welt der Ritter, Teil 1: Männer aus Eisen am 27.04.14, 19.30 Uhr
Wann wurde aus dem Reiter ein Ritter? Diese Frage beschäftigt die Forschung seit Jahrzehnten. Einer der ersten wahren Ritter könnte Heinrich Tangel aus Tannroda in Thüringen gewesen sein. Mit seiner Geschichte beginnt die „Terra X“-Zeitreise in die „Welt der Ritter“.
Gefahr droht. Jahr für Jahr ziehen ungarische Reiterhorden mordend und brandschatzend durch deutsche Lande. In der Not ruft König Otto im Jahr 955 zur entscheidenden Schlacht. 7000 Panzerreiter versammeln sich auf dem Lechfeld, um den Feind endgültig zu schlagen. Einer der tapferen Kämpfer ist Heinrich Tangel aus Tannroda. Wie viele andere in Ottos Heer ist er zunächst kein Ritter, sondern ein schlichter Kämpfer auf einem Pferd. Als Ritter bezeichnete man zunächst vor allem die Berufssoldaten zu Pferd. Tangel hingegen war ein freier Bauer, der nur in Kriegszeiten zum Waffendienst verpflichtet war und ansonsten seine Felder bestellte. Das Schicksal von Männern wie Heinrich interessiert Wissenschaftler heute ganz besonders, weil zu seinen Lebzeiten das Rittertum, wie wir es uns heute vorstellen, erste Formen annahm.
Nach der gewonnenen Schlacht zeichnet König Otto die erfolgreichen Kämpfer aus und „befördert“ viele nichtadelige Reiter durch die Schwertleite zu Rittern. Diese Möglichkeit des sozialen Aufstiegs war außergewöhnlich. Adlig war man von Geburt, aber Ritter konnte man durch Tüchtigkeit werden. Allerdings gehörte auch das nötige Kleingeld dazu. Die Ausrüstungskosten waren enorm. Das Pferd allein kostete so viel wie zwölf Kühe, die Bewaffnung mehr als doppelt so viel. Den Gegenwert von 45 bis 50 Kühen hatte kaum ein freier Bauer übrig, für eine neue Existenzgründung als Ritter.
Im „Terra X“-Experiment prüfen wir, was ein Ritter für sein Geld erwarten durfte. Eine High-Speed-Kamera erlaubt einen nie gesehenen Blick darauf, wie genau ein Kettenhemd gegen Schwerter und Pfeile schützte. Rechtsmediziner Prof. Markus A. Rothschild und Militärhistoriker Roland Schewe kommentieren die Ergebnisse. Gegen Schwerthiebe und -stiche bot das Kettenhemd ausreichend Schutz, etwa wie eine Kevlarweste, die heute Soldaten und Polizisten tragen. Als dann allerdings verbesserte Langbögen und Armbrüste ins Spiel kamen, hatte das Kettenhemd ausgedient. Nur der Ritter in Vollpanzerung war gegen die Fernwaffen einigermaßen geschützt.
Heinrich hatte Glück, er erhält von seinem König eine Burg samt Land und Leuten. Sie sichert sein Einkommen. Wie im Mittelalter eine Burg gebaut wurde, zeigt „Terra X“ in einem einzigartigen Langzeit-Experiment in GuÁ©delon bei Paris. Hier wird eine Burg Stein für Stein nur mit mittelalterlichen Werkzeugen gebaut. Warum nur ein Bruchteil der europäischen Burgen heute noch erhalten ist, zeigt eine spektakuläre 3D-Animation der Belagerung und Stürmung einer frühen Burg, die so manchen „Burgirrtum“ widerlegt.
Die Welt der Ritter, Teil 2: Für Ruhm und Ehre am 04. 05.14, 19.30 Uhr
Die Kreuzzüge machten aus dem frühen Reiter endgültig den „miles christianus“, den christlichen Ritter. Als Papst Urban im Jahr 1095 in der Kathedrale von Clermont Ferrand zum ersten Kreuzzug aufrief, legte er nicht so viel Wert auf die Herkunft der Recken, sondern mehr auf die Entschlossenheit, gegen die Heiden zu kämpfen und Jerusalem zurückzuerobern. „Wer Räuber war, kann Ritter werden“, versprach Urban, und Zehntausende folgten seinem Ruf. Viele weitere Kreuzzüge sollten noch kommen. Während der ersten beiden quälten sich gewaltige Heerscharen aus Europa auf dem Landweg rund um das Mittelmeer durch endlose Wüstengebiete. Immer wieder wurden sie unterwegs von Wegelagerern und Feinden aus dem Hinterhalt angegriffen. Erst als die Seefahrerstädte Genua und Venedig neue Transportschiffe entwickelt hatten, konnten Ritter auch „Kreuzfahrten“ ins Heilige Land buchen ”“ ein gewaltiges Geschäft. Immer mehr Ritter wählten schließlich den Seeweg, unter ihnen Heinrich von Neuffen.
Im zweiten Teil der „Terra X“-Reihe „Die Welt der Ritter“ überlässt Heinrich seiner Frau Adelheid die Verwaltung der heimischen Burg und bricht unter dem Stauferkaiser Friedrich II zum fünften Kreuzzug auf. Seine Seereise hatte er sich allerdings anders vorgestellt. Der Transport von Rittern und ihren Pferden auf dem Mittelmeer war zwar eine logistische Meisterleistung, aber längst keine Vergnügungsfahrt. Im Bauch riesiger Transportschiffe saßen Pferde und Ritter gleichermaßen in der Falle. Piraten und Stürme hatten leichtes Spiel, Schiffbrüche waren nicht selten. Wer überlebte, war schwach von der Seekrankheit und dem fauligen Wasser an Bord. Von Neuffen jedoch hatte Glück: Er überstand nicht nur die Überfahrt, sondern auch den Kreuzzug. Schließlich kehrte er gesund und beladen mit Souvenirs aus dem Heiligen Land zu seiner Burg zurück.
Dass die Ehefrau die Herrschaft über eine Burganlage und den zugehörigen Landbesitz übernimmt, ist nicht die Regel, kam aber vor. Die eine oder andere Burgherrin musste sogar Feinde abwehren und Belagerungen überstehen. Quellen belegen solche Auseinandersetzungen. Sogar im Gerichtskampf durften Frauen ihr Recht durchsetzen ”“ auch gegen Männer. In seinem berühmten Fechtbuch erklärt beispielsweise der Fechtmeister Hans Talhoffer nicht nur den Männern, wie ein Gerichtskampf zu gewinnen ist, sondern widmet ein ganzes Kapitel den speziell für Frauen empfohlenen Techniken.
Wunschbild der mittelalterlichen Männer scheinen solche Frauen aber nicht gewesen zu sein. Der damals in Mode gekommene Minnesang beschwor ein ganz anderes Frauenbild: Die bewunderte Frau, die sogenannte „Minneherrin“, wird stets als schön, edel und gut gekleidet beschrieben. Sie bleibt zu jeder Zeit damenhaft zurückhaltend, und ihr Minneritter ist gezwungen, sie aus der Ferne anzubeten. Analog zur Gottesliebe des Kreuzritters wird vom Minneritter reine Liebe für seine Herrin erwartet.
Die Welt der Ritter, Teil 3: Die Letzten ihrer Art am 11.05.14 um 19.30 Uhr
Längst wäre er vergessen, hätte ihn nicht ein ganz und gar unritterlicher Satz berühmt gemacht: Götz von Berlichingen. Er gilt als Räuber, bestenfalls als Raubritter, der seinen Lebensunterhalt mehr schlecht als Recht durch Fehde, Überfälle und Lösegelderpressung bestritt. Und doch ist er einer der letzten echten Ritter. Er verhält sich gar nicht so viel anders als seine Standesgenossen in den Jahrhunderten zuvor, aber die Welt der Ritter hatte sich im 16. Jahrhundert verändert. Sein Handeln passt nicht in die neue Zeit und er wird immer wieder mit Strafen belegt. Auch Kaiser Maximilian, der sich selbst als „den letzten Ritter“ bezeichnete, knüpfte ebenfalls an ritterliche Traditionen an ”“ zumindest auf dem Hobbysektor. Er veranstaltete glanzvolle Turniere und versuchte sich sogar als Dichter von Ritterromanen, im Alltag jedoch war Maximilian kein mittelalterlicher Ritter mehr, sondern ein moderner Fürst. In der Kriegsführung setzte er auf ein Heer aus Landsknechten, denn Ritter von Stand waren ihm viel zu teuer und nicht effektiv genug. Außerdem begeisterte er sich sehr für moderne Technologie und entwarf sogar selbst Kanonen. Seine Kavallerie bestand längst nicht mehr nur aus Rittern. Wer ein guter Kämpfer war, durfte in der Reiterei bleiben, ansonsten ersetzten nicht adlige Berufskrieger den Ritter von Stand.
Ein halbes Jahrtausend beherrschten die Ritter das Kriegsgeschehen, aber mit Maximilian ging das Zeitalter der „Männer in Eisen“ zu Ende. Götz beruft sich zwar noch auf die „alten ritterlichen Rechte und Pflichten seines Standes“ und behauptet: „Wo immer Unrecht ist, nehme ich mich der Sache an.“ Tatsächlich verhalf er seinen Hintersassen zu Recht, trieb Buß- und Strafgelder ein und sorgte für Schadensersatz. Sogar mit der reichen Stadt Nürnberg, mit Bischöfen und Fürsten legte er sich an ”“ natürlich immer gegen eine entsprechende Beteiligung. Was aus mittelalterlicher Sicht das Recht des Ritters war, wurde zu Beginn der Neuzeit zum kriminellen Delikt.
Maximilian dagegen war gewissermaßen der erste „Freizeitritter“ der Geschichte und nahm damit alle modernen Ritter-Events und Onlinespiele vorweg. Tatsächlich waren seine Turniere vor allem eine großartige Show, ein sportliches Großereignis, das die Besucher aus ganz Europa anlockte. Und so ein „Ritter-Grand-Prix“ des Mittelalters war mindestens genau so gefährlich, wie moderne Autorennen. Immer wieder stürzten sich Ritter bei diesem „Extremsport“ zu Tode oder wurden von splitternden Lanzen verletzt.
Was im Detail passiert, wenn zwei Ritter aufeinander krachen, zeigt „Terra X“ in einem spektakulären Experiment in einer Crashtest-Anlage. So mancher Helm, der eigentlich schützen sollte, führte im Turnier zum Genickbruch. Wer es sich leisten konnte, ließ eine Genickstütze an Helm und Panzer schrauben ”“ auch eine Erfindung des Mittelalters.
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* Die Dramatik einer Burgbelagerung aus nächster Nähe zu erleben oder in die Attacken einer modernen Schlacht um 1500 einzutauchen war noch vor wenigen Jahren nur durch exorbitanten Aufwand in der Computergrafik möglich und damit Hollywood vorbehalten.
Bisher waren digitale Menschen in Dokumentationen nur aus größerer Distanz oder aus der Vogelperspektive zu sehen. Immerhin war damit ein Überblick über Truppenaufstellungen und Strategien möglich, aber das Kampfgeschehen selbst musste mit ungeheurem Aufwand und großen Kosten nachgestellt (Reenactment) werden.
Ausgereiftere Soft- und Hardware ermöglichen jetzt für den „Terra X“-Dreiteiler „Die Welt der Ritter“ fotorealistische Szenerien mit lebensnaher Action.
Nicht nur die Detailgenauigkeit der Kleidung und der Rüstung der CGI-Ritter (Computer Generated Images) und CGI-Landsknechte, auch ihre Bewegungen, die Kinematik konnte entscheidend verbessert werden. Typische Körperbewegungen innerhalb eines Kampfes wurden dafür real gefilmt und anschließend auf die Gelenkstruktur der digitalen Charaktere übertragen. Durch eigens für „Die Welt der Ritter“ entwickelte Programme konnten auch die Bewegungen von Reitereinheiten, vom Sturm der „Spießgesellen“ und der Angreifer und Verteidiger einer Burg realistisch dargestellt werden. Und das alles in außergewöhnlichen Perspektiven und Kamerafahrten.
So haben wir auch für die Belagerung einer Burg die komplette Maschinerie „auffahren“ können, die Rittern um 1500 zur Verfügung stand: vom „Wandelturm“ oder dem legendären „Tribok“ bis hin zu den Geschützen, mit denen Kaiser Maximilian Kufstein sturmreif schoss. Diese Belagerung zum Bespiel muss den Vergleich mit teuren Kinoproduktionen nicht scheuen und ist so erstmals in einer Fernsehdokumentation zu sehen.
Es sind aber nicht nur die neuen technischen Möglichkeiten, die „wahr“ werden lassen. Es gehört auch die künstlerische Kreativität unserer Mitarbeiter dazu und eine gehörige Portion „Verrücktheit“ oder besser gesagt Enthusiasmus für die Welt der Ritter.